Dorsten Klauke auf Humboldts Spuren durch Südamerika
Ich werde Pflanzen und Fossilien sammeln, mit vortrefflichen Instrumenten astronomische Beobachtungen machen können; ich werde die Luft chemisch zerlegen ... Das alles ist aber nicht der Hauptzweck meiner Reise. Auf das Zusammenwirken der Kräfte, den Einfluß der unbelebten Schöpfung auf die belebte Tier- und Pflanzenwelt, auf die Harmonie sollen stets meine Augen gerichtet sein. Der Mensch muß das Gute und Große wollen.
Humboldt am 4. Juni 1799
Orte.
Orte sind Räume, Zeit.
Der Ort wird sich in der Zeit nur äußerlich verändern.
Körperlich begegnet bin ich Alexander von Humboldt zum ersten Mal vor der Guacharohöhle in Venezuela. Ein mannshohes Denkmal in Bronze gegossen.
Wir schreiben das Jahr 1992. Ich besuchte Venezuela in guter Gesellschaft mit meinem Freund Dr. Hartmut Pontius, welcher damals Leiter des Naturkundemuseums in Erfurt war.
Im Gepäck Humboldts Buch "Auf Steppen und Strömen Südamerikas". Ich war schon als Kind besessen, Südamerika irgendwann zu bereisen, fühlte mich zu den Schriften Humboldts hingezogen.
Ich bereiste die Orte in Südamerika, welche Humboldt auch bereiste, wie zum Beispiel die Guacharohöhle,den Rio Casiguare, Rio Orinoko, Rio Atapapo, Rio Temi, die Anden und dort den Cotopaxi und den Chimborazo. Und vieles mehr.
Die Idee war klar. Wenn Raum und Zeit, laut Einstein, nicht zu trennen sind, ist der Ort ein Ausgangspunkt für mein Projekt. Auch wenn er sich äußerlich verändert hat. So fand meine Begegnung mit Alexander von Humboldt statt. Es sollen Bilder entstehen, ein Treffen außerhalb der Zeit, Zeitsprünge.
Wissenschaft und Kunst gehören laut Humboldt zusammen. Auch wenn ich einen sehr bescheidenen Beitrag gegenüber dem überragenden Naturwissenschaftler zum Gedenken
beitragen kann, bin ich glücklich, ein Bilderbuch zu malen, welches mit den Arbeitsräumen von Alexander von Humboldt zu tun hat. Dies ist mein Anliegen.
Dorsten Klauke
Caracas
Caracas ist die Hauptstadt eines Landes, das fast zweimal so groß ist wie das heutige Peru und an Flächengehalt dem Königreich Neu-Granada wenig nachsteht. Dieses Land, das im spanischen Regierungsstiel Capitaniageneral de Caracas oder de las Provincias de Venezuela heißt, hat gegen eine Million Einwohner, darunter 60 000 Sklaven.
Alexander von Humboldt
Slums, Öl auf Leinwand 200x300
Öl auf Leinwand 120x130
In den Anden, Ecuador
An seinen Bruder Wilhelm von Humboldt schreibt Alexander, dass er den Landstrich in Ecuador vermessen wolle. Doch im Grunde ist er dabei, eine Theorie seines verehrten Freiberger Lehrers Abraham Gottlob Werner aus den Angeln zu heben, den Neptunismus. Der Mineraloge Werner glaubt, das Wasser der Sintflut habe die verschiedenen Minerale und Gesteine gebildet und so die Erdoberfläche geformt.
Humboldt, der bereits den Teide auf Teneriffa sowie Puracé, Antisana, Pichincha und Cotopaxi in den Kordilleren bestiegen hat, allesamt Vulkane, verfolgt eine andere Spur: Er ahnt, dass eine gewaltige Feuerkraft im Erdinneren die Erde und ihre Gebirge gestaltet. Die Gesteinsbrocken, die er oberhalb der Vegetationszone
des Chimborazo aufliest, stützen diese These: Sie zeigen Formen, die an Koks gemahnen oder Brandspuren.
Sein Forschergeist lässt Humboldt die sinkenden Temperaturen in über 5000 m Höhe zunächst kaum spüren. Seine indianischen Träger verweigern an der Schneegrenze den Dienst, in der Gewissheit, dass die Weißen an Atemnot sterben werden. Humboldt und seine Begleiter sind dürftig ausgerüstet: Ihre Lederstiefel haben sich mit Schneewasser vollgesogen. Mangels Handschuhen reißen sie sich am Fels die Hände blutig. Trotzdem steigen sie weiter auf, auch wenn der Grat, der sie zum Gipfel des weißen Kolosses führen soll, oft nur zwei handbreit ist: Linkerhand senkt sich eine dünneisige Spiegelfläche, die keinerlei Halt bietet, rechts droht der Abgrund.
Öl auf Leinwand 120x130
Chimborazo, Öl auf Leinwand 120x130
Das kleine Andenmädchen, Öl auf Leinwand 120x140
Ehemalige Mission
San Fernando de Atabapo
Die Schande des Jahrhunderts sind die Raubzüge der Missionare. Sie überfallen unschuldige Indianer, töten alles, was sich ihnen widersetzt. Die Jesuiten gestehen dreist, die Stimme des Evangeliums ertöne erst da, wo die Indianer die Stimme des Schießpulvers gehört haben.
Alexander von Humboldt
Quito, Öl auf Leinwand 200x300
Provinz Guyana
Öl auf Leinwand 90x140
Die Höhle von Guacharo
Am berühmtesten ist das Tal von Caribe, neben der ausnehmenden Kühle des Klimasdurch die große Cueva oder Höhle von Guacharo. In einem Lande, wo man so großen Hang zum Wunderbaren hat, ist eine Höhle, aus der ein Strom entspringt und in der Tausende von Nachtvögeln leben, mit deren Fett man in den Missionen kocht, natürlich ein unerschöpflicher Gegenstand der Unterhaltung und des Streits.
... Man steht auf einmal vor der ungeheuren Mündung der Höhle. Der Anblick hat etwas Großartiges. ... der Eingang ist nach Süd gekehrt; es ist eine Wölbung, 26 Meter breit und 23 Meter hoch. Auf dem Fels über der Grotte stehen riesenhafte Bäume.
Alexander von Humboldt
Öl auf Leinwand 90x60
Am Casiquiare
Die Plage der Moskitos, der wir jetzt unterlagen, wurde ärger, je weiter wir vom Rio Negro wegkamen. Im Tal des Casiquiare gibt es keine Zancudos, aber die Insekten aus der Gattung Simulium und alle anderen aus der Familie der Tipulae sind um so häufiger und giftiger. Da wir, ehe wir an die Mission Esmeralda kamen, in diesem nassen, ungesunden Klima noch acht Nächte unter freiem Himmel zuzubringen hatten ... .
Vor wenigen Jahren hatte ein indianischer Alkalde eines seiner Weiber verzehrt, die er in seinem Conuco hinausgenommen und gut genährt hatte, um sie fett zu machen. Wenn die Völker in Guayana Menschenfleisch essen, so werden sie nie durch Mangel oder durch gottesdienstlichen Aberglauben dazu getrieben wie die Menschen auf den Südseeinseln; es beruht meist auf Rachsucht des Siegers und – wie die Missionare sagen - auf „Verirrung des Appetits“. Der Sieg über eine feindliche Horde wird durch ein Mahl gefeiert, wobei der Leichnam eines Gefangenen zum Teil verzehrt wird. Ein andermal überfällt man bei Nacht eine wehrlose Familie oder tötet einen Feind, auf den man zufällig im Walde stößt, mit einem vergifteten Pfeil. Der Leichnam wird zerstückt und als Trophäe nach Hause getragen.
Alexander von Humboldt
Öl auf Leinwand 120x80
Küstenregion bei Caracas
Öl auf Leinwand 160x200
Nestbau, Öl auf Leinwand 140x130
Eierernte
Der frische Nordostwind brachte uns mit vollen Segeln zur Boca de la Tortuga (Schildkröten-
Bucht). Gegen 11 Uhr vormittags stiegen wir an einer Insel mitten im Strome aus, welche die Indianer in der Mission Uruana als ihr Eigentum betrachten. Diese Insel ist berühmt wegen des Schildkrötenfangs oder – wie man hier sagt – der Eierernte,die jährlich hier gehalten wird ... .
Wir befanden uns auf einem ganz ebenen Sandstrich. Man sagte uns: „So weit das Auge reicht, liegen Schildkröteneier unter einer Erdschicht.“ Mit einer langeStange sondiert man, um zu sehen, wie weit die Eierschicht reicht ... .
Ich erzählte meinen Führern von den hochtrabenden Beschreibungen Pater Gumillas in dessen Werk „El Orinoco Ilustrado“ (1741), die Ufer des Orinoco enthielten nicht so viele Sandkörner wie der Strom Schildkröten, und diese hielten die Schiffe in ihrem Lauf auf, wenn Menschen und Tigres nicht alljährlich so viele töteten. Da arme Missionare hierzulande die einzigen Reisenden sind, nennt man so etwas hier „Pfaffenmärchen“.
Die Indianer versicherten uns, von der Mündung des Orinoco bis zum Einfluß des Apure herauf finde man keine einzige Insel und kein einziges Gestade, wo man Schildkröteneier in Massen sammeln könnte ... . Die Indianer, welche die Eierernte mitmachen, bringen auch ganze Massen an der Sonne getrockneter oder leicht gesottener Eier nach Hause. Unsere Ruderer hatten immer welche in Körben oder kleinen Säcken von Baumwollenzeug. Der Geschmack kam uns nicht unangenehm vor, wenn sie gut erhalten sind.
Alexander von Humboldt
Öl auf Leinwand 80x120
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